Kräuterwallfahrt nach Grotewiese
Ein Hauch von duftenden Kräutern breitete sich in der Kapelle in Grotewiese aus. Schafgarbe, Kamille, Thymian und sogar ein Topf mit Petersilie, gebunden zu einem Kräuterstrauß, verströmten diesen Duft. Zu einer Frauenwallfahrt mit Kräuterweihe hatten sich die Frauengemeinschaften Kierspe, Meinerzhagen und Valbert an Maria Himmelfahrt, in Grotewiese getroffen.
Präses Pfarrer Peter Wilhelm Keinecke hielt den Gottesdienst und weihte die Kräuterbüsche. Nach dem Gottesdienst trafen sich alle Frauen zu einem gemütlichen Beisammensein in der Knochenmühle. Hausherr Fred Oehm erwartete sie dort schon und erzählte ihnen zwischen Würstchen und Kartoffelsalat die Geschichte der Knochenmühle mit ihren Hochs und Tiefs.
Kräuterwallfahrt, was ist das??
In katholischen ländlichen Regionen hat sich zu diesem Fest, es gilt als Frauentag, ein reiches Brauchtum bis heute erhalten. Schon seit dem neunten Jahrhundert wird die Sitte der Kräuterweihe in der katholischen Kirche gepflegt. Je nach Region bestehen die Kräuterbuschen aus insgesamt sieben verschiedenen Kräutern, die Zahl der Wochen- oder Schöpfungstage, oder aus neun Kräuter, für dreimal drei für die heilige Dreifaltigkeit, zwölf, für die Zahl der Apostel, 14 für die Zahl der Nothelfer oder 24, zweimal 12 für die 12 Stämme Israels aus dem alten und dem neuen Testament. Die Kräuter werden zu einem Strauß gebunden und mit zur Kirche gebracht. Dort werden sie im Gottesdienst vom Priester gesegnet. In manchen Orten Bayerns und Tirols beginnt damit auch die Zeit des Frauendreißigers.
Das ist die Zeit zwischen den Festen Mariä Himmelfahrt am 15. August und Mariä Namen am 12. September. Sein Ursprung liegt vor allem auch in der konkreten Erfahrung, nach der diese Spanne als besonders günstige Zeit für das Sammeln von Kräutern gilt, denen dann ihre größte Heilkraft zugeschrieben wird. Der Brauch wurde später in das Christentum übernommen.
Typische Kräuter neben Alant sind Echtes Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Rainfarn, Schafgarbe, Königskerze, Kamille, Thymian, Baldrian, Eisenkraut und verschiedene Getreidesorten. In manchen Regionen wurden in die Kräuterbuschen so viele Alantblüten eingebunden, wie Menschen, Kühe und Pferde auf dem Hof lebten. Der Tee aus diesen geweihten Kräutern sollte besonders heilsam sein. Krankem Vieh wurden geweihte Kräuter ins Futter gemischt oder man warf zum Schutz vor Blitzschlag beim Gewitter Kräuter aus dem Buschen ins offene Feuer.
Es ist immer noch mit sehr viel Magie verbunden, einen solchen Kräuterbusch zusammenzustellen. Die geweihten Kräuter sollen gegen alle möglichen Verzauberungen und Krankheiten, aber auch für Eheglück, Kindersegen und vieles mehr helfen. Nach der Segnung werden die Kräuterbusche mit nach unten hängenden Blüten zum Trocknen aufgehängt, in alten Bauernstuben in den Hergottswinkel. Ist der Kräuterbusch schön trocken, zupft man einige Kräuter ab, zerreibt sie und vermischt sie mit Weihrauch und räuchert alles zusammen.
Die Kräutersammlung zum Himmelfahrtstag hat natürlich einen tiefen theologischen Sinn, wenngleich im Volksbrauchtum bisweilen auch magische Vorstellungen hereinspielen.
Maria ist der ganz heile Mensch, die Frau, die ohne Erbsünde empfangen. Deshalb konnte sie Gott in sich aufnehmen und Christus zur Welt bringen. Weil sie auf Erden Gott in sich aufnahm, so nahm Gott seinerseits Maria an ihrem Lebensende in den Himmel auf.
Die Heilkräuter verweisen auf dieses ganzheitliche, nämlich typisch katholisch leibliche wie auch geistliche Heilsein im Glauben, das in der Einheit des Menschen mit Gott in Erfüllung geht. Wie Maria zur Vollendung gelangt ist, hoffen die Christen, dass auch für sie der Tod nicht das Ende, sondern der Beginn der Vollendung wird. Deshalb also die Kräutersammlung und Weihe gerade an diesem Festtag. Schließlich sind leibliches und geistliches Heilsein nie voneinander zu trennen. In Maria ist den Menschen ein Kraut geschenkt gegen den Tod, von dem man normalerweise meint, gegen ihn sei kein Kraut gewachsen.
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